The Project Gutenberg EBook of Moni der Geissbub, by Johanna Spyri Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. You can also find out about how to make a donation to Project Gutenberg, and how to get involved. **Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** **eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** *****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** Title: Moni der Geissbub Author: Johanna Spyri Release Date: February, 2006 [EBook #9860] [This file was first posted on October 25, 2003] Edition: 10 Language: German Character set encoding: US-ASCII *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, MONI DER GEISSBUB *** E-text prepared by Delphine Lettau This Etext is in German. We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- which requires a binary transfer, or sent as email attachment and may require more specialized programs to display the accents. This is the 7-bit version. This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/. Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. Moni der Geissbub Erzaehlung Johanna Spyri 1. Kapitel Der Moni fuehlt sich wohl Um zu dem Badehaus Fideris zu gelangen, muss man steil und lang die Hoehe hinaufsteigen, nachdem man die Strasse verlassen hat, die sich durch das lange Tal des Praettigau nach oben schlaengelt. So muehsam keuchen dann die Pferde den Berg hinauf, dass man lieber aussteigt und zu Fuss die gruene Hoehe erreicht. Nach einem laengeren Anstieg kommt man erst zum Dorf Fideris, das auf der freundlichen, gruenen Anhoehe liegt. Von da geht es weiter in die Berge hinein, bis das einsame Gebaeude des Badeortes auftaucht, ueberall von felsigen Hoehen umgeben. Dort oben wachsen nur noch Tannen, die die Hoehen und Felsen ringsum bedecken. Es saehe alles ziemlich duester aus, wenn nicht ueberall aus dem niederen Weidegras die schoenen Bergbluemchen mit ihren glaenzenden Farben hervorguckten. An einem hellen Sommerabend traten zwei Damen aus dem Badehaus und gingen auf dem schmalen Fussweg dahin, der unweit des Hauses beginnt und bald sehr steil bis zu den hoch anfragenden Felsen hinaufsteigt. An dem ersten Vorsprung blieben sie stehen und schauten um sich, denn sie waren eben erst in dem Bad angekommen. "Lustig ist's nicht hier oben, Tante", sagte jetzt die Juengere, indem sie die Landschaft betrachtete. "Lauter Felsen und Tannenwaelder und dann wieder ein Berg und noch einmal Tannen darauf. Wenn wir sechs Wochen hier bleiben sollen, dann wollte ich, es waere hier und da auch noch etwas Lustigeres zu sehen." "Lustig wird's jedenfalls nicht sein, wenn du hier oben dein Brillantenkreuz verlierst, Paula", entgegnete die Tante, waehrend sie das rote Samtband zusammenknuepfte, an dem das funkelnde Kreuz hing. "Es ist das drittemal, dass ich das Band festmache, seit wir angekommen sind. Ich weiss nicht, wo es fehlt, ob an dir oder an dem Band, aber das weiss ich, dass du jammern wirst, wenn es verloren ist." "Nein, nein", rief Paula lebhaft aus, "das Kreuz darf nicht verlorengehen, um keinen Preis, es ist noch von der Grossmutter und ist mein groesster Schatz!" Paula ergriff selbst noch das Band und machte zwei, drei Knoten hinein, damit es festhalte. Ploetzlich spitzte sie die Ohren. "Hoer, hoer, Tante, jetzt kommt aber wirklich etwas Lustiges." Hoch oben erscholl ein froehlicher Gesang. Zwischendurch kam ein langer, schallender Jodler, dann wurde wieder gesungen. Die Damen schauten aufwaerts, konnten aber nichts Lebendiges entdecken. Der Fussweg ging in grossen Serpentinen, oft zwischen hohem Gebuesch und wieder zwischen vorstehenden Bergabhaengen durch, so dass man von unten immer nur kurze Stueckchen davon erblicken konnte. Aber jetzt wurde es ploetzlich lebendig auf dem Pfad, oben und unten, auf allen Stellen, wo der schmale Weg gesehen werden konnte, und immer lauter und naeher toente der Gesang. "Sieh, sieh, Tante, dort! Hier! Sieh da! Sieh da!" rief Paula mit grossem Vergnuegen. Und ehe die Tante sich's versah, kamen drei, vier Geissen in Spruengen daher und immer mehr, immer mehr, und jede hatte ein Gloecklein am Hals. Die laeuteten von allen Seiten her, und mitten in einem Rudel kam der Geissbub herabgesprungen und sang eben noch sein Lied zu Ende: "Und im Winter bleib ich froehlich, Weil's Weinen nichts nuetzt, Und weil ihm sowieso der Fruehling Auf den Fersen schon sitzt." Dann liess er einen ungeheuren Jodel erschallen. Und auf einmal stand er mit seinem Rudel dicht vor den Damen, denn mit seinen nackten Fuessen sprang er genauso flink und leise wie seine Tierchen. "Guten Abend wuensche ich", sagte er, indem er die beiden lustig anschaute, und wollte weiterziehen. Aber der Geissbub mit den froehlichen Augen gefiel den Damen. "Wart ein wenig", sagte Paula, "bist du der Geissbub von Fideris? Hast du Geissen aus dem Dorf unten?" "Ja natuerlich", war die Antwort. "Gehst du alle Tage mit ihnen da hinauf?" "Ja freilich." "So, so, und wie heisst du denn?" "Moni heisse ich." "Willst du mir auch das Lied einmal singen, das du eben gesungen hast? Wir haben erst einen Vers gehoert." "Das ist zu lang", erklaerte Moni, "es wird zu spaet fuer die Geissen, sie muessen heim." Er rueckte sein altes Huetchen zurecht, schwang seine Rute in der Luft und rief den Geissen zu, die schon ueberall zu nagen angefangen hatten: "Heim! Heim!" "So singst du mir's doch ein andermal, Moni, nicht wahr?" rief ihm Paula nach. "Ja, das will ich und gute Nacht!" rief er zurueck, setzte sich nun mit den Geissen in Trab, und in kurzer Zeit stand die ganze Herde unten, wenige Schritte vom Badehaus bei dem Hintergebaeude still. Denn hier hatte Moni die Geissen, die zum Haus gehoerten, die schoene weisse und die schwarze mit dem zierlichen Zicklein abzugeben. Moni behandelte letzteres mit groesster Sorgfalt, denn es war ein zartes Tierchen, und er liebte es von allen am meisten. Es war auch so anhaenglich, dass es ihm den ganzen Tag immer nachlief. Er zog es auch jetzt ganz zaertlich zu sich und stellte es in seinen Stall hinein. Dann sagte er: "So, Maeggerli, nun schlaf gut, du bist muede. Es ist sehr weit bis dort hinauf, und du bist noch so klein. Leg dich jetzt nur gleich hin, siehst du, so in das gute Stroh hinein." Nachdem er so das Maeggerli zur Ruhe gebettet hatte, zog er eilig weiter mit seiner Schar, erst vor dem Badehaus den Huegel hinauf und dann die Strasse hinunter dem Dorf zu. Hier nahm er sein Hoernchen vor den Mund und blies so gewaltig hinein, dass es droehnte bis weit ins Tal hinab. Von allen verstreuten Hoefen her kamen jetzt die Kinder gelaufen, jedes stuerzte auf seine Geiss, die es aus der Ferne schon kannte. Und von den nahen Haeusern her kam hier eine Frau und dort eine, fasste ihr Geisslein am Strick oder am Horn, und in kurzer Zeit war die ganze Herde auseinandergestoben, und jedes Tierlein kam an seinen Ort. Zuletzt stand der Moni noch allein mit der Braunen, seiner eigenen Geiss, und mit ihr ging er zu dem Haeuschen am Bergabhang, wo schon die Grossmutter ihn in der Tuer erwartete. "Ist alles gut gegangen, Moni?" fragte sie freundlich, fuehrte dann die Braune in den Stall und fing gleich an, sie zu melken. Die Grossmutter war noch eine ruestige Frau und besorgte alles selbst im Haus und im Stall und hielt ueberall Ordnung. Moni stand in der Stalltuer und schaute der Grossmutter zu. Als das Melken beendet war, trat sie ins Haeuschen und sagte: "Komm, Moni, du wirst Hunger haben." Sie hatte auch schon alles hergerichtet. Moni konnte sich sofort an den Tisch setzen. Sie nahm neben ihm Platz. Obwohl es nur eine Schuessel voll Maisbrei mit der Milch der Braunen gab, so liess sich's Moni doch herrlich schmecken. Dabei erzaehlte er der Grossmutter, was er den Tag ueber erlebt hatte, und sobald er sein Mahl beendet hatte, zog er sich auf sein Lager zurueck, denn er musste sich ja frueh am Morgen wieder mit der Herde auf den Weg machen. Auf diese Weise hatte Moni schon zwei Sommer verbracht, so lange schon war er Geissbub. Er war jetzt so an dieses Leben gewoehnt und mit seinen Tierchen verbunden, dass er sich's gar nicht anders denken konnte. Mit seiner Grossmutter lebte Moni zusammen, solange er sich besinnen konnte. Seine Mutter war gestorben, als er noch ganz klein war. Sein Vater zog bald danach mit anderen zum Kriegsdienst nach Neapel, um etwas zu verdienen, denn er meinte, das gehe dort schneller. Die Mutter seiner Frau war auch arm, aber sie nahm auf der Stelle das verlassene Bueblein ihrer Tochter, den kleinen Salomon, zu sich und teilte mit ihm, was sie hatte. Es lag auch ein Segen auf ihrem Haeuschen, und noch nie hatte sie Not leiden muessen. Die brave, alte Elsbeth war auch im ganzen Dorf beliebt, und als vor zwei Jahren ein anderer Geissbub ausgewaehlt wurde, da fielen alle Stimmen einstimmig auf den Moni. Denn jeder goennte es der arbeitsamen Elsbeth, dass nun Moni auch etwas verdienen konnte. Die fromme Grossmutter hatte den Moni keinen Morgen weggehen lassen, ohne dass sie ihm sagte: "Moni, vergiss nicht, wie nah du dort oben dem lieben Gott bist und dass er alles sieht und hoert. Du kannst vor seinen Augen nichts verbergen. Aber vergiss auch nicht, dass er in deiner Naehe ist, um dir zu helfen. Daher musst du dich nie fuerchten, und wenn du dort oben keine Menschen herbeirufen kannst, rufe du nur zum lieben Gott in der Not, er hoert dich gleich und kommt dir zur Hilfe." So zog Moni von Anfang an voller Zuversicht auf die einsamen Hoehen und die hoechsten Felsen und hatte nie die leiseste Furcht noch Schrecken, denn er dachte immer: Je hoeher hinauf, desto naeher bin ich beim lieben Gott und desto sicherer in allem, was mir begegnen kann. So hatte Moni weder Sorge noch Kummer und konnte sich freuen an allem, was er erlebte vom Morgen bis zum Abend. Und es war kein Wunder, dass er immer pfiff und sang und jodelte, denn er musste seiner grossen Froehlichkeit Luft machen. 2. Kapitel Monis Leben auf dem Berg Am folgenden Morgen erwachte Paula so frueh wie sonst nie, ein lauter Gesang hatte sie aus dem Schlaf geweckt. "Da ist gewiss schon der Geissbub", sagte sie, sprang aus dem Bett und lief ans Fenster. Richtig, mit frischen, roten Backen stand der Moni im Hof und hatte eben die alte Geiss und das Zicklein aus dem Stall geholt. Jetzt schwang er seine Rute in der Luft, die Geissen huepften und sprangen um ihn herum, und nun ging's vorwaerts mit der ganzen Schar. Und ploetzlich erhob Moni seine Stimme wieder und sang, dass es von den Bergen widerhallte: "Dort droben in den Tannen Singen die Voegel im Chor, Und hat's eine Weile geregnet, Kommt die Sonne wieder vor." "Heute muss er mir einmal sein ganzes Lied singen", sagte Paula, denn jetzt war Moni verschwunden, und sie konnte seinen fernen Gesang nicht mehr verstehen. Am Himmel zogen noch die roten Morgenwolken dahin, und ein frischer Bergwind rauschte dem Moni um die Ohren, als er berganstieg. Das war ihm gerade recht. Vor Wohlbehagen jodelte er vom ersten Bergvorsprung so gewaltig ins Tal hinab, dass mancher Schlaefer unten im Badehaus erstaunt die Augen aufschlug. Er machte sie aber gleich wieder zu, denn er kannte den Ton und wusste, dass er nun noch ein Stuendchen Schlaf zugeben konnte, denn der Geissbub kam immer so frueh. Inzwischen kletterte Moni mit seinen Geissen eine Stunde lang weiter und weiter hinauf, bis hoch zu den Felsen. Immer weiter und immer schoener war es um den Moni geworden, je hoeher er hinaufkam. Von Zeit zu Zeit guckte er um sich, dann schaute er zu dem hellen Himmel auf, der nun immer blauer wurde. Dann fing er aus vollem Hals zu singen an, immer lauter und immer froehlicher, je hoeher er kam: Dort droben in den Tannen Singen die Voegel im Chor, Und hat's eine Weile geregnet, Kommt die Sonne wieder vor. Und die Sonne und die Sterne Und den Mond bei der Nacht, Die hat der liebe Gott uns Zur Freude gemacht. Im Fruehling gibt's Blumen, Die sind gelb und sind rot, Und so blau ist der Himmel, Und ich freu mich fast zu Tod. Und im Sommer gibt's Beeren, Und geht's gut, so gibt's viel, Und die roten und die schwarzen, Ess ich alle vom Stiel. Hat's im Hag wieder Nuesse, So weiss ich wie's tut, Wo die Geissen gern nagen, Sind die Kraeutlein auch gut. Und im Winter bin ich froehlich, Weil's Weinen nichts nuetzt, Und weil ihm sowieso der Fruehling, Auf den Fersen schon sitzt. Jetzt war die Anhoehe erreicht, wo er gewoehnlich blieb und sich auch heute ausruhen wollte. Das war eine kleine, gruene Hochebene mit einem so weiten Vorsprung, dass man von dem freien Punkt ringsumher und weiter, weit ins Tal hinabsehen konnte. Dieser Vorsprung hiess die Felsenkanzel, und hier konnte Moni oft stundenlang verweilen und um sich schauen und vor sich hin pfeifen, waehrend seine Tierlein ganz gemuetlich ihre Kraeuter suchten. Sobald Moni angekommen war, nahm er seinen kleinen Proviantsack vom Ruecken und legte ihn in eine kleine Hoehle des Bodens, die er selbst dafuer gegraben hatte. Dann trat er auf die Felsenkanzel hinaus und warf sich auf den Boden, um sich einmal so recht wohl sein zu lassen. Der Himmel war jetzt dunkelblau geworden. Drueben waren die hohen Berge mit den in den Himmel ragenden Zacken und grossen Eisfeldern zum Vorschein gekommen, und unten leuchtete weithin das gruene Tal im Morgenglanz. Moni lag da, schaute umher, sang und pfiff. Der Bergwind kuehlte ihm das warme Gesicht, und hoerte er einmal zu pfeifen auf, so pfiffen die Voegel ueber ihm noch viel lustiger und flogen in den blauen Himmel hinauf. Der Moni fuehlte sich unbeschreiblich wohl. Von Zeit zu Zeit kam das Maeggerli zu ihm und strich ein wenig mit seinem Kopf ueber Monis Schulter, wie die Geiss es immer tat. Dann meckerte es ganz liebevoll, ging auf die andere Seite von Moni und strich wieder den Kopf ueber seine Schulter. Auch von den anderen Geissen kam bald diese, bald jene, um nach dem Hirten zu sehen, und jede hatte ihre eigene Weise, ihm ihre Zaertlichkeit zu zeigen. Die Braune, seine eigene Geiss, kam zu ihm und schaute nach, ob auch alles mit ihm in Ordnung sei. Sie stand dann da und schaute ihn an, bis er sagte: "Ja, ja, Braunli, es ist schon recht, geh nur wieder zum Futter." Eine Geiss hiess die Schwalbe, weil sie so schmal und flink war und ueberall hineinschoss, wie die Schwalben in ihre Loecher. Sie sprang so ungestuem auf den Moni los, dass sie ihn wohl umgeworfen haette, waere er nicht schon auf dem Boden gelegen. Gleich darauf lief sie wieder davon. Die glaenzende Schwarze, die Geiss des Wirts im Badehaus, Maeggerlis Mutter, war ein wenig stolz. Sie kam nur auf ein paar Schritte Entfernung heran, schaute mit erhobenem Kopf zu dem Moni hin, als wollte sie sich nicht zu vertraulich zeigen und ging dann wieder ihrer Wege. Der grosse Sultan aber, der Bock, zeigte sich immer nur einmal und drueckte dann alle weg, die er in Monis Naehe traf. Dann meckerte er einigemale so bedeutungsvoll, als habe er Mitteilungen abzugeben ueber den Zustand der Herde, als deren Anfuehrer er sich fuehlte. Nur das kleine Maeggerli liess sich niemals von seinem Beschuetzer verdraengen. Wenn der Bock kam und wollte es wegdruecken, so kroch es so tief unter Monis Arm oder Kopf, dass der grosse Sultan nicht wagte, naeher zu kommen. Unter Monis Schutz fuerchtete sich das Zicklein auch kein bisschen mehr vor dem Sultan, vor dem es sonst erzitterte, wenn es in seine Naehe kam. So war der sonnige Morgen vergangen. Moni hatte schon sein Mittagessen verzehrt und stand nun nachdenklich auf seinen Stecken gestuetzt, den er hier oben oefters brauchte. Denn er war ihm beim Auf- und Abstieg eine grosse Hilfe. Er dachte nach, ob er eine neue Seite der Felsen besteigen wollte. Denn an diesem Nachmittag wollte er mit den Geissen hoeher hinauf, die Frage war nur, nach welcher Seite? Er entschied sich fuer die linke, denn dort ging es zu den drei Drachensteinen, um die herum so zartes Buschwerk wuchs, dass es ein wahres Festessen fuer die Geissen war. Der Weg war steil, und oben waren gefaehrliche Stellen an der schroffen Felswand, aber er wusste einen sicheren Weg. Und die Geissen waren ja vernuenftig und verliefen sich nicht so leicht. Er ging bergauf, und lustig kletterten ihm alle seine Geissen nach. Sie waren bald vor, bald hinter ihm, das kleine Maeggerli blieb immer ganz in seiner Naehe. Manchmal hielt er es fest und zog es mit sich, wenn eine steile Stelle kam. Es ging aber alles gut, und nun waren sie oben, und mit hohen Spruengen rannten die Geissen zu den gruenen Bueschen hin, denn sie erkannten das gute Futter, das sie schon oefter hier oben abgenagt hatten. "Nur zahm! Nur zahm!" mahnte Moni, "und stosst einander nicht an den steilen Stellen, es koennte leicht eines abstuerzen und haette die Beine gebrochen. Schwalbe! Schwalbe! Was kommt denn dir in den Sinn?" rief er jetzt voller Aufregung. Denn die flinke Geiss war ueber die hohen Drachensteine hinaufgeklettert, stand jetzt auf dem aeussersten Rand des einen Steins und guckte von da ganz vorwitzig auf ihn herunter. Er kletterte eilig hinauf, denn nur noch ein einziger Tritt, und die Schwalbe lag unten im Abgrund. Moni war sehr behend, in wenigen Minuten hatte er den Stein erklettert und mit einem schnellen Griff die Schwalbe am Bein erfasst und zurueckgezogen. "Komm du jetzt mit mir, du unvernuenftiges Tierlein du", schalt Moni und zog die Schwalbe mit sich herunter zu den anderen. Er hielt sie noch ein Weilchen fest, bis sie nicht mehr ans Fortlaufen dachte. "Wo ist das Maeggerli?" schrie Moni ploetzlich auf, der die Schwarze erblickte, wie sie allein an einer steilen Stelle stand und nichts frass, sondern ruhig umherschaute. Immer war das junge Geisslein neben Moni, oder es lief seiner Mutter nach. "Wo hast du dein Zicklein, Schwarze?" rief er erschrocken und sprang auf die Geiss zu. Sie war ganz sonderbar, frass nicht, blieb immer auf demselben Platz stehen und spitzte verdaechtig die Ohren. Moni stellte sich dicht neben sie und schaute hinauf und hinab. Jetzt hoerte er ein leises, jammerndes Meckern. Das war Maeggerlis Stimme, sie kam von unten herauf, so klaeglich und hilfeflehend. Moni legte sich auf den Boden und beugte sich vor. Dort unten bewegte sich etwas. Jetzt sah er's deutlich, tief unten hing das Maeggerli an einem Ast, der aus dem Felsen herauskam, und winselte zum Erbarmen. Es musste hinuntergefallen sein. Gluecklicherweise hatte der Ast es aufgehalten, sonst haette es in den Abgrund stuerzen muessen. Aber auch noch jetzt, wenn es sich nicht mehr an dem Ast festhalten konnte, musste es auf der Stelle in die Tiefe stuerzen und sich das Genick brechen. In hoechster Angst rief er hinunter: "Halt fest, Maeggerli, halt fest am Ast! Sieh, ich komme schon und hole dich!" Aber wie sollte er dahin gelangen? Die Felswand war so steil hier, unmoeglich konnte er da hinunterkommen, das sah Moni wohl ein. Aber das Geisslein musste da unten etwa in der Hoehe vom Regenfelsen sein, dem ueberhaengenden Gestein, unter das man sich beim Regen so gut fluechten konnte. Dort brachten die Geissbuben schon immer ihre Tage bei schlechtem Wetter zu, darum hiess das Gestein schon von alter Zeit her der Regenfelsen. Von da aus, dachte Moni, konnte er quer ueber den Felsen klettern und so mit dem Zicklein zurueckkommen. Schnell pfiff er die Herde zusammen und stieg mit ihr hinunter, bis zu der Stelle, wo es zum Regenfelsen hineinging. Da liess er sie weiden und ging dem Felsen zu. Hier sah er auch gleich, noch ein gutes Stueck ueber sich, den Ast, an den sich das Geisslein klammerte. Er sah, dass es nicht leicht sei, da hinaufzuklettern und mit dem Maeggerli auf dem Ruecken wieder hinunter. Aber anders war das Tierlein nicht zu retten. Er dachte auch, der liebe Gott wuerde ihm gewiss beistehen, dann koennte es ihm gelingen. Er faltete seine Haende, schaute zum Himmel auf und betete: "Ach lieber Gott, hilf mir doch, dass ich das Maeggerli erretten kann!" Jetzt war er voller Vertrauen, dass alles gutgehen werde, und eilig kletterte er den Felsen hinauf, bis er bei dem Ast oben angelangt war. Hier klammerte er sich fest an mit beiden Fuessen, hob dann das zitternde, wimmernde Tierlein auf seine Schultern und kletterte nun mit grosser Sorgfalt hinunter. Als er aber nun wieder den sicheren Grasboden unter den Fuessen hatte und das erschrockene Geisslein gerettet sah, da war er so froh, dass er laut danken musste und in den Himmel hinaufrief: "O lieber Gott, ich danke dir tausendmal, dass du uns so geholfen hast! O wie sind wir beide so froh darueber!" Dann setzte er sich noch ein wenig auf den Boden und streichelte das Zicklein, das immer noch an allen seinen zarten Gliedern zitterte, und troestete es ueber die ausgestandene Angst. Als wenig spaeter Zeit zum Aufbruch war, setzte Moni das Zicklein noch einmal auf seine Schultern und sagte fuersorglich: "Komm, du armes Maeggerli, du zitterst ja immer noch. Heute kannst du nicht heimgehen, ich muss dich tragen." Und so trug er das Tierlein, das sich fest an ihn schmiegte, den ganzen Weg hinunter. Paula stand jetzt auf der letzten Anhoehe vor dem Badehaus und erwartete den Geissbuben. Auch ihre Tante hatte sie begleitet. Als nun Moni mit seiner Last auf dem Ruecken herankam, wollte Paula wissen, ob das Zicklein krank sei, und zeigte grosse Teilnahme. Als Moni das sah, setzte er sich gleich auf den Boden vor Paula hin und erzaehlte ihr sein heutiges Erlebnis mit dem Maeggerli. Das Fraeulein nahm sehr lebhaften Anteil an der Sache und streichelte das gerettete Tierlein. Jetzt lag es ruhig auf Monis Knien und sah sehr zierlich aus mit seinen weissen Fuessen und dem schoenen schwarzen Pelzchen ueber dem Ruecken. Es liess sich ganz gern ein wenig streicheln. "Jetzt singst du mir auch noch dein Lied, wenn du schon einmal hier bist", sagte Paula. Moni war so froehlich gestimmt, dass er gern aus voller Brust anstimmte und sein ganzes Lied bis zu Ende sang. Das gefiel der Paula ausnehmend gut, und sie sagte, er muesse es ihr noch oefter singen. Dann zog die ganze Gesellschaft zusammen zum Badehaus hinunter. Hier wurde das Zicklein auf sein Lager gelegt, und Moni nahm Abschied. Paula ging in ihr Zimmer zurueck, um hier der Tante noch lange von dem Geissbuben zu erzaehlen, auf dessen froehlichen Morgengesang sie sich schon jetzt wieder freute. 3. Kapitel Ein Besuch So waren mehrere Tage vergangen, einer so sonnig und klar wie der andere, denn es war ein besonders schoener Sommer. Und der Himmel blieb blau und wolkenlos vom Morgen bis zum Abend. Jeden Morgen in der Fruehe war der Geissbub mit hellem Gesang am Badehaus vorbeigezogen, jeden Abend mit hellem Gesang wieder zurueckgekehrt. Und alle Badegaeste waren so an das froehliche Singen gewoehnt, dass keiner es haette missen moegen. Vor allen aber freute sich Paula an Monis Froehlichkeit und ging ihm fast jeden Abend entgegen, um ein Gespraech mit ihm anzuknuepfen. An einem sonnigen Morgen war Moni wieder oben bei der Felsenkanzel angelangt und wollte sich eben auf den Boden setzen, als er sich noch anders besann. "Nein, vorwaerts! Ihr habt ja das letztemal die guten Blaettlein alle stehenlassen muessen, weil wir dem Maeggerli helfen mussten, jetzt geht's noch einmal hinauf, da koennt ihr fertig nagen!" Und mit Freuden sprangen ihm die Geissen alle nach, denn sie merkten, dass es zu den schoenen Bueschen an den Drachensteinen hinauf ging. Diesmal hielt Moni aber sein kleines Maeggerli die ganze Zeit im Arm fest, riss ihm die guten Blaettlein selber ab und liess es aus seiner Hand fressen. Das gefiel dem Geisslein am allerbesten, es rieb ganz vergnuegt von Zeit zu Zeit sein Koepfchen an Monis Schulter und meckerte froehlich. So war der ganze Morgen vergangen und Moni merkte erst an seinem Hunger, dass es spaet geworden war. Er hatte aber sein Essen unten bei der Felsenkanzel in der kleinen Hoehle hegen lassen, da er mittags wieder hinunter kommen wollte. "So, ihr habt nun schon viel Gutes bekommen, und ich habe noch gar nichts", sagte er zu seinen Geissen. "Jetzt muss ich auch etwas haben und unten findet ihr noch genug, kommt!" Dann pfiff er laut, und die ganze Schar zog auf und davon, die lebhaftesten immer voran und allen voraus die leichtfuessige Schwalbe, der heute etwas Unerwartetes begegnen sollte. Sie sprang hinunter von Stein zu Stein und ueber manche Felsspalte weg, aber auf einmal konnte sie nicht weiter. Unmittelbar vor ihr stand ganz ploetzlich eine Gemse und schaute ihr neugierig ins Gesicht. Das war der Schwalbe noch nicht vorgekommen. Sie stand da, schaute die Fremde fragend an und wartete, dass ihr diese aus dem Weg gehe. Denn sie wollte auf den Felsblock springen, der vor ihr aufragte. Aber die Gemse ruehrte sich nicht und schaute der Schwalbe frech ins Gesicht. So standen beide voreinander, immer hartnaeckiger, und noch heute wuerden sie dort stehen, wenn nicht inzwischen der grosse Sultan herbeigekommen waere. Sofort erkannte er die Sachlage und kletterte vorsichtig an der Schwalbe vorbei. Ploetzlich stiess er die Gemse so weit und so gewaltig auf die Seite, dass sie einen kuehnen Sprung machen musste, um nicht ueber die Felsen hinabzurutschen. Die Schwalbe aber zog triumphierend ihres Weges, und der Sultan schritt befriedigt und stolz hinter ihr her, denn er fuehlte sich als sicherer Beschuetzer seiner Herde. Inzwischen war von oben herab Moni und von unten herauf ein anderer Geissbub auf einem nahen Platz angekommen und blickten auch erstaunt einander an. Aber sie kannten sich, und nach der ersten Ueberraschung begruessten sie sich freundlich. Es war der Joergli von Kueblis, der schon den halben Morgen lang vergebens den Moni gesucht hatte und ihn nun hier oben traf, wo er ihn gar nicht mehr vermutete. "Ich habe nicht gedacht, dass du so hoch hinaufgehen wuerdest mit den Geissen", sagte der Joergli. "Freilich gehe ich", entgegnete Moni, "aber nicht immer. Gewoehnlich bin ich bei der Felsenkanzel. Warum bist du da heraufgekommen?" "Ich will dir einen Besuch machen", war die Antwort, "ich habe dir allerhand zu erzaehlen. Auch habe ich hier zwei Geissen, die bringe ich dem Wirt im Bad, er will eine kaufen, und da dachte ich, ich wollte noch zu dir hinauf." "Sind es deine Geissen?" fragte Moni. "Natuerlich, die fremden habe ich nicht zu hueten, ich bin nicht mehr Geissbub." Darueber musste sich Moni sehr wundern, denn zu gleicher Zeit mit ihm war der Joergli Geissbub von Kueblis geworden, und Moni begriff nicht, dass das so aufhoeren konnte und der Joergli nicht einmal jammerte. Inzwischen waren Hirten und Geissen bei der Felsenkanzel angekommen. Moni holte Brot und ein Stueckchen getrocknetes Fleisch hervor und lud den Joergli zum Mittagessen ein. Sie setzten sich beide auf die Kanzel hinaus und liessen sich's gut schmecken. Denn es war sehr spaet geworden, und sie hatten beide ausgezeichneten Appetit. Als nun alles aufgegessen und dann noch ein wenig Geissmilch getrunken worden war, legte sich der Joergli ganz behaglich der Laenge nach auf den Boden und stuetzte seinen Kopf auf beide Ellbogen. Moni aber war sitzen geblieben, denn er schaute immer gern von oben in das tiefe Tal hinunter. "Was bist du denn jetzt, Joergli, wenn du nicht mehr Geissbub bist?" fing Moni nun an, "etwas musst du doch sein." "Freilich bin ich etwas und etwas Rechtes", erwiderte Joergli, "Eierbub bin ich. Jeden Tag gehe ich mit den Eiern in alle Wirtshaeuser, so weit ich komme. Hier hinauf ins Badehaus komme ich auch, gestern war ich schon dort." Moni schuettelte den Kopf: "Das ist nichts, Eierbub moechte ich nicht sein, tausendmal lieber will ich Geissbub sein, das ist viel schoener." "Ja warum denn?" "Die Eier sind ja nicht lebendig, mit denen kannst du kein Wort reden. Und sie laufen dir nicht nach wie die Geissen, die sich freuen, wenn du kommst und anhaenglich sind und jedes Wort verstehen, das du mit ihnen redest. Du kannst keine Freude mit deinen Eiern haben wie mit den Geissen hier oben." "Ja und du", unterbrach ihn Joergli, "was hast du denn fuer grosse Freuden hier oben? Jetzt hast du wohl sechsmal aufstehen muessen, waehrend wir beim Essen waren, nur wegen des dummen Geissleins, damit es nicht hinunterfaellt. Ist denn das eine Freude?" "Ja, das tue ich ganz gern. Nicht wahr, Maeggerli, komm! Komm!" Moni sprang auf und lief dem Geisslein nach, denn es machte ganz unvorsichtige Freudenspruenge. Als er wieder sass, sagte Joergli: "Es gibt auch ein anderes Mittel, die jungen Geissen zu halten, dass sie nicht ueber die Felsen hinabfallen und man ihnen nicht immer nachspringen muss wie du." "Was fuer eins?" fragte Moni. "Man steckt einen Stecken fest in den Boden und bindet die Geiss mit einem Bein daran. Sie zappelt dann zwar furchtbar, aber sie kann doch nicht fort." "Du wirst doch nicht glauben, dass ich so etwas mit dem Geisslein mache", sagte der Moni ganz entruestet. Er zog das Maeggerli zu sich und hielt es fest, als muesste er es schuetzen. "Um das Geisslein musst du dich nicht mehr lange sorgen", fing Joergli wieder an, "das kommt nicht mehr hier herauf." "Was? Was? Was sagst du, Joergli?" fuhr Moni auf. "Pah, weisst du's denn nicht? Der Wirt will es nicht aufziehen, es ist ihm zu schwach, es wird nie eine kraeftige Geiss. Er hat es meinem Vater verkaufen wollen, aber der wollte es auch nicht. Nun will es der Wirt naechste Woche schlachten, und dann kauft er unseren Scheck dort." Moni war vor Schrecken ganz weiss geworden. Erst konnte er kein Wort sagen, aber jetzt jammerte er laut und rief: "Nein, nein, das duerfen sie nicht tun, Maeggerli, das duerfen sie nicht tun. Sie duerfen dich nicht schlachten, das kann ich nicht ertragen. Oh, ich will lieber gleich mit dir sterben. Nein, das kann ja nicht sein!" "Tu doch nicht so", sagte Joergli aergerlich und zog den Moni in die Hoehe, der sich in seinem Jammer mit dem Gesicht zu Boden geworfen hatte. "Steh doch auf, du weisst ja, dass das Geisslein nun einmal dem Wirt gehoert und er damit machen darf, was er will. Denk doch nicht mehr dran! Komm ich weiss noch etwas: Sieh! Sieh!" Dann hielt Joergli dem Moni die eine Hand hin, und mit der anderen deckte er den Gegenstand fast zu, den Moni bewundern sollte. Es funkelte aber ganz wunderbar aus der Hand heraus, denn die Sonne blitzte eben dort hinein. "Was ist's?" fragte Moni, als es eben wieder aufblitzte, von einem Sonnenstrahl beleuchtet. "Rat!" "Ein Ring?" "Nein, aber so etwas Aehnliches." "Wer hat dir's gegeben?" "Gegeben? Niemand, ich hab es selbst gefunden." "Dann gehoert es aber nicht dir, Joergli." "Warum nicht? Ich habe es niemand genommen, ich waere fast mit dem Fuss darauf getreten, dann waer's doch zerbrochen. Ich kann es ebenso gut behalten." "Wo hast du's gefunden?" "Unten beim Badehaus, gestern abend." "Dann hat es jemand aus dem Haus unten verloren. Du musst es dem Wirt sagen, und wenn du's nicht tust, so tue ich's heute Abend." "Nein, nein, Moni, tue nur das nicht", sagte Joergli jetzt bittend, "sieh, ich will dir zeigen, was es ist. Und ich will es in einen von den Wirtshaeusern an ein Zimmermaedchen verkaufen, sie muss mir aber vier Franken geben, dann geb ich dir auch einen oder zwei, und dann weiss ja niemand etwas davon." "Ich will nichts! Ich will nichts!" unterbrach ihn Moni heftig, "und der liebe Gott hat alles gehoert, was du gesagt hast." Joergli schaute zum Himmel auf. "Ja, so weit weg", sagte er zweifelhaft. Er fing aber gleich an, leiser zu reden. "Er hoert dich doch", sagte Moni zuversichtlich. Dem Joergli war es nicht mehr recht wohl in seiner Haut. Wenn er nur den Moni auf seine Seite zu bringen wusste, sonst war alles verloren. Er dachte lange nach. "Moni", sagte er ploetzlich, "ich will dir etwas versprechen, das dich freut, wenn du keinem Menschen etwas von dem Gefundenen sagen willst. Du brauchst ja auch nichts davon zu nehmen, dann hast du nichts damit zu tun. Wenn du das willst, so will ich dafuer sorgen, dass mein Vater doch das Maeggerli kauft. Dann wird es nicht geschlachtet, willst du?" In Moni entstand ein harter Kampf. Es war ein Unrecht, wenn er dabei half, den Fund zu verheimlichen. Joergli hatte seine Hand aufgemacht, es lag ein Kreuz darin, mit vielen Steinen besetzt, die in allen Farben funkelten. Moni sah wohl, dass das nicht ein wertloses Ding war, nach dem niemand fragen werde. Wenn er schweigen wuerde, wuerde er etwas behalten, was ihm nicht gehoerte. Aber auf der anderen Seite war das kleine, liebevolle Maeggerli, das sollte auf schreckliche Weise mit einem Messer getoetet werden, und er konnte das verhindern, wenn er schweigen wollte. Eben jetzt lag das Geisslein so vertrauensvoll neben ihm, als wusste es, dass er ihm immer helfen wurde. Nein, er konnte es nicht geschehen lassen, er musste es retten. "Einverstanden, Joergli", sagte er, aber ohne Freudigkeit. "So schlag ein." Und Joergli hielt Moni seine Hand hin, dass er hinein verspreche, denn nur so galt ein Versprechen unwiderruflich. Joergli war sehr froh, dass er nun seiner Sache sicher war. Da aber Moni so still geworden war und er einen viel weiteren Weg nach Hause hatte als Moni, so beschloss er, mit seinen zwei Geissen aufzubrechen. Er verabschiedete sich von Moni und pfiff den beiden Gefaehrten, die sich inzwischen zu den weidenden Geissen des Moni gesellt hatten. Es hatten einige bedenkliche Angriffe zwischen den beiden Parteien stattgefunden, denn die Fideriser Geissen wussten nicht, dass man mit einem Besuch artig sein muss. Und die Kuebliser Geissen wussten nicht, dass man nicht gleich die besten Kraeutlein aussuchen und die anderen davon wegdruecken darf, wenn man auf Besuch ist. Als nun der Joergli ein Stueck den Berg hinuntergegangen war, brach auch Moni mit seiner Schar auf, aber er war ganz still und sang keinen Ton und tat keinen Pfiff auf dem ganzen Heimweg. 4. Kapitel Moni kann nicht mehr singen Moni kam am folgenden Morgen genauso still und niedergeschlagen wie am Abend vorher den Weg zum Badehaus daher. Leise holte er die Geissen des Wirts heraus und stieg weiter hinauf, aber er sang keinen Ton, er schickte keinen Jodel in die Luft hinauf. Er liess seinen Kopf haengen und machte ein Gesicht, als fuerchtete er sich vor etwas. Hier und da blickte er auch scheu um sich, ob ihm nicht jemand nachkomme und ihn etwas fragen wolle. Moni konnte gar nicht mehr lustig sein. Er wusste erst selbst nicht so recht, warum? Er wollte sich freuen, dass er das Maeggerli gerettet hatte und einmal singen, aber er brachte nichts heraus. Der Himmel war heute mit Wolken bedeckt, und Moni dachte, wenn die Sonne komme, wuerde er schon wieder lustiger werden. Als er oben angekommen war, fing es ganz tuechtig zu regnen an. Er fluechtete unter den Regenfelsen, denn es goss bald in Stroemen vom Himmel herunter. Die Geissen kamen auch heran und stellten sich da und dort unter die Felsen. Die vornehme Schwarze hatte gleich ihren schoenen glaenzenden Pelz schonen wollen und war noch vor dem Moni unter den Felsen gekrochen. Sie sass jetzt hinter dem Moni und schaute aus dem behaglichen Winkel vergnuegt in den stroemenden Regen hinaus. Das Maeggerli stand vor seinem Beschuetzer unter dem vorragenden Felsen und rieb zaertlich sein Koepfchen an seinem Knie. Und dann schaute es erstaunt zu ihm auf, denn Moni sagte kein Wort, das war das Zicklein nicht gewohnt. Auch seine Braune scharrte zu seinen Fuessen und meckerte, denn er hatte den ganzen Morgen noch nichts zu ihr gesagt. Moni sass nachdenklich da. Er hatte sich auf seinen Stecken gestuetzt, den er bei solchem Wetter immer zur Hand nahm, damit er an den steilen Stellen nicht ausrutschen konnte. Denn an Regentagen zog er Schuhe an. Jetzt, da Moni stundenlang unter dem Regenfelsen sass, hatte er Zeit zum Nachdenken. Jetzt ueberdachte Moni, was er dem Joergli versprochen hatte. Und es kam ihm nun nicht anders vor, als ob der Joergli etwas genommen habe und er selbst dasselbe tue. Schliesslich hatte ihm der Joergli doch auch etwas fuer sein Schweigen gegeben. Er hatte etwas getan, was unrecht war, und der liebe Gott war jetzt gegen ihn, das fuehlte er in seinem Herzen. Es war ihm recht, dass es dunkel war und regnete und er unter dem Felsen verborgen war. Denn er haette doch nicht wie sonst in den blauen Himmel hinaufsehen duerfen, er fuerchtete sich jetzt vor dem lieben Gott. Aber auch noch andere Dinge musste Moni denken. Wenn nun wieder das Maeggerli ueber einen steilen Felsen hinunterfiele, und er wollte es holen, und der liebe Gott wuerde ihn nicht mehr beschuetzen, wenn er auch nicht mehr zu ihm beten und rufen duerfte, dann haette er keine Sicherheit mehr. Und wenn er dann ausrutschte und mit dem Maeggerli tief ueber die zackigen Felsen hinunterfiele und beide ganz zerrissen und zerschmettert unten im Abgrund laegen... O nein, sprach er aengstlich zu sich, so durfte es doch nicht kommen. Er musste dafuer sorgen, dass er wieder beten und vor den lieben Gott kommen konnte mit allem, was ihm auf dem Herzen lag. Dann konnte er auch wieder froehlich sein, das fuehlte Moni. Er wollte sich von der Last befreien, die ihn bedrueckte, er wollte gehen und alles dem Wirt sagen--aber dann? Dann wurde Joergli seinen Vater nicht ueberreden, und der Wirt wuerde das Maeggerli totstechen. O nein! Das konnte er nicht aushalten, und er sagte: "Nein, ich tue es nicht, ich sage nichts." Aber es war ihm nicht wohl dabei und sein schlechtes Gewissen wurde immer groesser. So verging dem Moni der ganze Tag. Er kehrte abends so lautlos heim, wie er morgens gekommen war. Und als unten beim Badehaus Paula stand und schnell zum Geissenstall heruebersprang und teilnehmend fragte: "Moni, was fehlt dir? Warum singst du denn gar nicht mehr?"--da wandte er sich scheu ab und sagte: "Ich kann nicht." Und so schnell wie moeglich machte er sich mit seinen Geissen davon. Paula sagte oben zu ihrer Tante: "Wenn ich doch nur wusste, was der Geissbub hat, er ist ja ganz veraendert, man kennt ihn gar nicht mehr. Wenn er doch nur wieder saenge." "Es wird der schreckliche Regen sein, der den Buben so verstimmt", meinte die Tante. "Nun kommt auch alles zusammen. Wir wollen doch heimgehen, Tante", bat Paula, "das Vergnuegen hier ist aus. Erst verliere ich mein schoenes Kreuz, und es ist nicht mehr zu finden. Dann kommt dieser endlose Regen, und nun kann man nicht einmal mehr den lustigen Geissbuben zuhoeren. Wir wollen fort." "Die Kur muss zu Ende gemacht werden, da kann ich dir nicht helfen", erklaerte die Tante. Dunkel und grau war es auch am folgenden Morgen, und der Regen stroemte unausgesetzt nieder. Moni brachte seinen Tag ebenso zu wie den vorhergegangenen. Er sass unter dem Felsen, und seine Gedanken gingen ruhelos immer im Kreise herum. Immer wenn er zu sich sagte: "Jetzt will ich gehen und das Unrecht gestehen, damit ich wieder zum lieben Gott aufsehen darf", da sah er wieder das Zicklein unter dem Messer vor sich. Er dachte nach, und sein schlechtes Gewissen plagte ihn so sehr, dass er am Abend ganz muede war und im stroemenden Regen heimschlich, als merkte er nichts davon. Beim Badehaus stand der Wirt in der Hintertuer und fuhr den Moni an: "Komm einmal mit den Geissen her, sie sind nass genug! Was kriechst du auch wie eine Schnecke den Berg hinunter! Ich wundere mich schon die ganze Zeit ueber dich." So unfreundlich war der Wirt noch nie gewesen, im Gegenteil, immer hatte er dem froehlichen Geissbuben die freundlichsten Worte zugerufen. Aber Monis veraendertes Wesen gefiel ihm nicht, und dazu war er noch schlechter Laune, denn Fraeulein Paula hatte ihm ihren Verlust geklagt. Sie hatte behauptet, das kostbare Kreuz koenne nur im Haus oder unmittelbar vor der Haustuer verloren gegangen sein. Denn sie sei an jenem Tag nur herausgegangen, um abends den heimkehrenden Geissbuben singen zu hoeren. Dass man aber sagen sollte, es koenne in seinem Haus ein so wertvolles Ding verloren gehen, ohne dass man es wieder erhalte, machte ihn sehr boese. Er hatte auch am Tag vorher das ganze Dienstpersonal versammelt, es verhoert und bedroht und endlich dem Finder eine Belohnung ausgesetzt. Das ganze Haus war in Aufruhr ueber den verlorenen Schmuck. Als Moni mit seinen Geissen an der Vorderseite des Hauses vorbeiging, stand Paula dort. Sie hatte auf ihn gewartet, es wunderte sie so sehr, ob er immer noch nicht wieder singen koenne und lustig sei. Als er nun vorbeischlich, rief sie: "Moni! Moni! Bist du denn auch derselbe Geissbub, der vom Morgen bis zum Abend sang: "'Und so blau ist der Himmel, Und ich freu mich fast zu Tod'?" Moni hoerte die Worte, er gab keine Antwort, aber sie machten einen grossen Eindruck auf ihn. Oh, wie war's doch so anders, als er den ganzen Tag singen konnte und er so froehlich war wie seine Lieder. Oh, wenn es doch wieder so sein koennte! Wieder zog Moni zu seiner Anhoehe hinauf, still und freudlos und ohne Gesang. Der Regen hatte nun aufgehoert, aber duester hingen ringsum die Nebel an den Bergen, und der Himmel war noch voll dunkler Wolken. Moni setzte sich wieder unter den Felsen und kaempfte mit seinen Gedanken. Gegen Mittag fing der Himmel an, sich aufzuklaeren, es wurde heller und heller. Moni kam aus seiner Hoehle hervor und schaute umher. Die Geissen sprangen wieder lustig hin und her, auch das Zicklein war ganz uebermuetig vor Freuden ueber die wiederkehrende Sonne und machte die froehlichsten Spruenge. Moni stand draussen auf der Kanzel und sah, wie es immer schoener und heller wurde unten im Tal und oben ueber dem Berge. Jetzt teilten sich die Wolken und der lichtblaue Himmel schaute so lieblich und freundlich herunter. Es war Moni, als schaue der liebe Gott aus dem lichten Blau zu ihm nieder. Und auf einmal war es in seinem Herzen ganz klar, was er tun musste, er konnte das Unrecht nicht mehr mit sich herumfragen. Er musste es ablegen. Jetzt ergriff Moni das Zicklein, das neben ihm umhersprang, nahm es in seinen Arm und sagte mit Zaertlichkeit: "O Maeggerli, du armes Maeggerli! Ich habe gewiss getan, was ich konnte, aber es ist ein Unrecht, und das darf man nicht tun. Oh, wenn du nur nicht sterben muesstest, ich kann es nicht aushalten!" Und nun fing Moni so sehr zu weinen an, dass er nicht mehr weiter reden konnte. Und das Zicklein meckerte wehmuetig und kroch tief unter seinen Arm, als wollte es sich ganz bei ihm verstecken und in Sicherheit bringen. Jetzt hob Moni das Geisslein auf seine Schultern. "Komm, Maeggerli, ich trage dich noch einmal heim heute, vielleicht kann ich dich bald nicht mehr tragen." Als er mit seinen Geissen unten beim Badehaus war, wartete Paula schon auf ihn. Moni stellte das Junge mit der Schwarzen in den Stall hinein, und anstatt weiter zu ziehen, wollte er an dem Fraeulein vorbei ins Haus gehen. Sie hielt ihn an. "Immer noch ohne Gesang, Moni?" "Ich muss etwas anzeigen", erwiderte Moni. "Anzeigen? Was denn? Darf ich's nicht wissen?" "Ich muss zum Wirt, es ist etwas gefunden worden." "Gefunden? Was denn? Ich habe auch etwas verloren, ein schoenes Kreuz." "Ja, das ist es gerade." "Was sagst du?" rief Paula in hoechster Ueberraschung. "Ist es ein Kreuz mit funkelnden Steinen?" "Ja." "Wo hast du's denn, Moni? Gib's doch her, hast du's gefunden?" "Nein, der Joergli von Kueblis." Nun wollte Paula wissen, wer das sei, und wo er wohne, und auf der Stelle jemand nach Kueblis hinunterschicken, das Kreuz zu holen. "Ich will schon gehen, und wenn er's noch hat, will ich's bringen" sagte Moni. "Wenn er's noch hat?" rief Paula, "warum sollte er's nicht mehr haben? Und woher weisst du denn von allem, Moni? Wann hat er's gefunden, und wie hast du's denn erfahren?" Moni schaute zu Boden. Er durfte nicht sagen, wie alles zugegangen war, und wie er geholfen hatte, den Fund zu verheimlichen, bis er es nicht mehr hatte ertragen koennen. Aber Paula war sehr gut zu Moni. Sie nahm ihn auf die Seite, setzte sich auf einen Baumstamm zu ihm hin und sagte mit der groessten Freundlichkeit: "Komm, erzaehl mir alles, wie es gegangen ist, Moni, ich moechte so gern alles von dir wissen." Nun fasste der Moni Zutrauen und fing an und erzaehlte die ganze Sache. Er berichtete auch, dass er sich um das Leben von Maeggerli Sorgen gemacht habe und wie er so alle Freude verloren hatte und nicht mehr zum lieben Gott aufschauen durfte. Heute, sagte er, konnte er es nicht mehr laenger ertragen. Jetzt redete Paula sehr freundlich mit ihm und meinte, er haette nur gleich kommen und alles anzeigen sollen. Und es sei recht, dass er ihr jetzt alles so aufrichtig gesagt habe, er solle es nicht bereuen. Dann sagte sie, dem Joergli koenne er zehn Franken versprechen, wenn sie das Kreuz wieder in Haenden habe. "Zehn Franken?" wiederholte Moni voller Erstaunen. Denn er wusste ja, dass Joergli es hatte verkaufen wollen. Jetzt stand Moni auf und sagte, er wollte noch heute nach Kueblis hinunter, und wenn er das Kreuz bekaeme, es gleich morgen frueh mitbringen. Nun lief er davon und konnte wieder ganz grosse Spruenge machen, er hatte wieder ein viel leichteres Herz, das schlechte Gewissen belastete ihn nicht mehr. Daheim stellte er nur seine Geiss in den Stall, sagte der Grossmutter, er habe noch einen Auftrag auszurichten und rannte gleich nach Kueblis hinunter. Er fand den Joergli daheim und sagte ihm, was er getan hatte. Der war erst sehr aufgebracht, aber als er nun erfuhr, dass alles bekannt sei, zog er das Kreuz heraus und fragte: "Gibt sie mir auch etwas dafuer?" "Ja, jetzt kannst du sehen, Joergli", sagte Moni entruestet, "auf dem ehrlichen Weg haettest du gleich zehn Franken bekommen und auf deinem Luegenweg doch nur vier." Joergli war sehr ueberrascht. Jetzt reute es ihn, dass er nicht gleich mit dem Kreuz ins Badehaus gegangen war, nachdem er es vor der Tuer aufgelesen hatte. Denn er hatte doch nun kein gutes Gewissen und haette es anders haben koennen. Aber jetzt war's zu spaet. Er uebergab das Kreuz dem Moni, und dieser eilte damit heim, es war draussen schon dunkel geworden. 5. Kapitel Moni singt wieder Paula hatte angeordnet, dass man sie am fruehen Morgen wecken sollte. Wenn der Geissbub kaeme, wollte sie selbst mit ihm verhandeln. Am Abend hatte sie noch eine lange Unterredung mit dem Wirt gehabt und war dann sehr befriedigt aus seiner Stube herausgekommen. Sie musste etwas Erfreuliches mit ihm ausgemacht haben. Als der Geissbub am Morgen mit seiner Herde herankam, stand Paula schon vor dem Haus und rief: "Moni, kannst du denn immer noch nicht singen?" Er schuettelte den Kopf: "Nein, ich kann's nicht, ich muss jetzt immer an das Maeggerli denken, wie lange es noch mit mir geht. Ich kann nicht mehr singen, solange ich lebe, und hier ist das Kreuz." Damit uebergab er ein kleines Paeckchen, denn die Grossmutter hatte es ihm sorgfaeltig in drei oder vier Papiere gewickelt. Paula schaelte das Kreuz aus den Huellen heraus und betrachtete es genau. Es war wirklich ihr schoenes Kreuz mit den funkelnden Steinen und voellig unversehrt. "So, Moni", sagte sie nun freundlich, "du hast mir eine grosse Freude gemacht, denn ohne dich haette ich wohl mein Kreuz nie mehr gesehen. Nun will ich dir auch eine Freude machen. Geh, hol das Maeggerli dort aus dem Stall, es gehoert jetzt dir!" Moni starrte das Fraeulein mit einem Erstaunen an, als sei es unmoeglich, ihre Worte zu verstehen. Endlich stotterte er: "Aber wie--wie koennte das Maeggerli mein sein?" "Wie?" wiederholte Paula laechelnd, "sieh, gestern abend hab ich es dem Wirt abgekauft und heute morgen schenke ich es dir. Kannst du jetzt wieder singen?" "Oh!" stiess Moni hervor und rannte wie ein Unsinniger auf den Stall zu, zog das Geisslein heraus und nahm es auf den Arm. Dann kam er zurueckgesprungen und streckte dem Fraeulein seine Hand entgegen und sagte immer wieder: "Ich danke tausendmal! Vergelt's Gott! Und wenn ich Ihnen nur einen Gefallen tun koennte!" "Dann sing mir dein Lied", sagte Paula. Da stimmte Moni sein Lied an und zog nun den Berg hinauf mit den Geissen, und seine Jubeltoene schmetterten so ins Tal hinab, dass im ganzen Badehaus keiner war, der sie nicht hoerte. Und mancher drehte sich auf seinem Kissen um und sagte: "Der Geissbub hat wieder gute Laune." Es freute aber alle, dass er wieder sang, denn sie hatten sich alle an den froehlichen Wecker gewoehnt, die einen zum Aufstehen, die anderen zum Weiterschlafen. Als Moni oben von der ersten Hoehe das Fraeulein immer noch unten vor dem Haus stehen sah, trat er extra weit hinaus und sang hinunter, so laut er konnte: "Und so blau ist der Himmel, Und ich freu mich fast zu Tod!" Den ganzen Tag ueber sang der Moni und alle Geissen wurden angesteckt von seiner Froehlichkeit und huepften und sprangen umher. Es war, als ob ein grosses Fest gefeiert wuerde. Die Sonne schien froehlich vom blauen Himmel herunter. Und nach dem grossen Regen waren auch alle Kraeutlein frisch und die gelben und roten Bluemlein glaenzten. Moni glaubte, Berg und Tal und die ganze Welt noch nie so schoen gesehen zu haben. Sein Zicklein liess er den ganzen Tag nicht aus den Augen. Er zog ihm die besten Kraeutlein aus und fuetterte es und sagte immer wieder: "Maeggerli, du gutes Maeggerli, du musst nicht sterben, du bist jetzt mein und kommst mit mir auf die Weide hinauf, solange wir leben." Und mit schallendem Singen und Jodeln kam Moni auch am Abend wieder hinunter. Nachdem er die Schwarze zu ihrem Stall gefuehrt hatte, nahm er das Zicklein auf den Arm, es kam ja nun mit ihm nach Haus. Das Maeggerli machte auch gar keine Anstalten, als wollte es lieber dableiben, sondern schmiegte sich an den Moni. Bei ihm fuehlte es sich geborgen, denn Moni hatte es ja schon lange besser und zaertlicher behandelt als die eigene Mutter. Als aber Moni zu der Grossmutter kam, sein Maeggerli auf der Schulter, da wusste diese gar nicht, was geschehen war. Denn Monis Rufen: "Es gehoert mir, Grossmutter, es gehoert mir!" erklaerte ihr die Sache noch lange nicht. Aber Moni konnte noch nicht erzaehlen. Erst lief er zu dem Stall und dort, hart neben der Braunen, damit es sich nicht fuerchte, machte er dem Maeggerli ein schoenes, weiches Lager aus frischem Stroh. Er legte es darauf und sagte: "So Maeggerli, nun schlaf gut in der neuen Heimat. So sollst du's immer haben, alle Tage mache ich dir ein neues Bettlein." Erst jetzt kam Moni zu der verwunderten Grossmutter zurueck, und wie sie nun zusammen bei ihrem Abendessen sassen, erzaehlte er ihr die ganze Geschichte von Anfang an. Er berichtete von seinen drei kummervollen Tagen und dem heutigen beglueckenden Schluss. Die Grossmutter hoerte ganz still und aufmerksam zu, und als er zu Ende war, sagte sie ernsthaft: "Moni, wie es dir jetzt gegangen ist, daran sollst du immer denken. Waehrend du dir Sorgen um das Geisslein machtest, hatte der liebe Gott ihm schon lange geholfen und dir zur Freude einen Weg gefunden. Er hat dir geholfen, weil du dein Unrecht eingesehen hast. Haettest du sofort recht getan und auf Gott vertraut, so waere gleich alles gut gegangen. Jetzt hat der liebe Gott dir so sehr geholfen, dass du es dein Leben lang nicht vergessen darfst." "Nein, ich will es auch nie vergessen", sagte Moni mit eifriger Zustimmung, "und gewiss immer gleich denken: Ich muss nur tun, was vor dem lieben Gott recht ist, das andere bringt er schon in Ordnung." Bevor aber Moni sich schlafen legen konnte, musste er noch einmal in den Stall und sein Geisslein anschauen, ob es auch wirklich moeglich sei, dass es draussen liege und ihm gehoere. Der Joergli bekam seine zehn Franken, aber so leicht sollte er denn doch nicht von der Sache loskommen. Als er wieder ins Badehaus kam, wurde er vor den Wirt gefuehrt. Er nahm den Buben beim Kragen, schuettelte ihn tuechtig und sagte bedrohlich: "Joergli! Joergli! Versuch du kein zweitesmal mehr, mein ganzes Haus in Misskredit zu bringen! Kommt noch ein einziges Mal so etwas vor, so kommst du auf eine Art aus meinem Haus hinaus, die dir nicht gefaellt! Sieh, dort oben steckt ein ganz kraeftiges Weidenruetchen fuer solche Faelle. Jetzt geh und denk dran!" Aber noch eine Folge hatte der Vorgang fuer den Buben: Wenn von nun an irgend etwas im Badehaus verloren gegangen war, rief die ganze Dienerschaft sofort: "Das hat der Joergli von Kueblis!" Und kam dieser nachher ins Haus, so drangen sie alle miteinander auf ihn ein und riefen: "Gib's her, Joergli! Gib's heraus!" Und wie sehr er auch versicherte, er habe nichts und wisse nichts, sie schrien ihn alle an: "Dich kennt man schon! Uns betruegst du nicht!" So hatte der Joergli immer die bedrohlichsten Angriffe zu bestehen und hatte fast keinen ruhigen Augenblick mehr. Denn wenn er jetzt nur jemand auf sich zukommen sah, so glaubte er schon, der komme, um ihn zu fragen: "Hast du nicht dies oder das gefunden?" So war es dem Joergli nie mehr recht wohl zumut, und hundertmal dachte er: "Haette ich doch jenes Kreuz auf der Stelle zurueckgegeben, in meinem ganzen Leben behalte ich nichts mehr, das mir nicht gehoert." Der Moni aber hoerte den ganzen Sommer nicht auf zu singen und zu jodeln, denn er fuehlte sich so wohl da oben bei seinen Geissen, wie kaum ein anderer Mensch auf der Welt. Aber oft, wenn er so in seiner Zufriedenheit ausgestreckt auf der Felsenkanzel lag und in das sonnige Tal hinabschaute, musste er daran denken, wie er damals mit seinem schlechten Gewissen unter dem Regenfelsen sass. Und er sagte jedesmal laut vor sich hin: "Ich weiss schon, wie ich's mache, dass es nie mehr so kommt. Ich tue nichts mehr, wenn ich dabei nicht froehlich in den Himmel aufsehen kann, weil es dem lieben Gott so recht ist." Geschah es aber, dass der Moni sich zu lange in seine Betrachtungen vertiefte, so kam die eine oder die andere der Geissen heran. Sie schaute verwundert nach ihm aus und versuchte ihn zur Gesellschaft zurueckzumeckern, was er aber manchmal ziemlich lange nicht hoerte. Nur wenn sein Maeggerli kam und mit Verlangen nach ihm rief, dann hoerte er es gleich. Er lief ihm auch sofort entgegen, denn sein anhaengliches Geisslein war und blieb Monis liebstes Gut. Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Moni der Geissbub, von Johanna Spyri. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, MONI DER GEISSBUB *** This file should be named 7mong10.txt or 7mong10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7mong11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7mong10a.txt Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. Please note neither this listing nor its contents are final til midnight of the last day of the month of any such announcement. The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A preliminary version may often be posted for suggestion, comment and editing by those who wish to do so. Most people start at our Web sites at: http://gutenberg.net or http://promo.net/pg These Web sites include award-winning information about Project Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!). Those of you who want to download any eBook before announcement can get to them as follows, and just download by date. This is also a good way to get them instantly upon announcement, as the indexes our cataloguers produce obviously take a while after an announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter. http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext05 or ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext05 Or /etext04, 03, 02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90 Just search by the first five letters of the filename you want, as it appears in our Newsletters. Information about Project Gutenberg (one page) We produce about two million dollars for each hour we work. The time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our projected audience is one hundred million readers. If the value per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 If they reach just 1-2% of the world's population then the total will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! This is ten thousand titles each to one hundred million readers, which is only about 4% of the present number of computer users. Here is the briefest record of our progress (* means estimated): eBooks Year Month 1 1971 July 10 1991 January 100 1994 January 1000 1997 August 1500 1998 October 2000 1999 December 2500 2000 December 3000 2001 November 4000 2001 October/November 6000 2002 December* 9000 2003 November* 10000 2004 January* The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. We need your donations more than ever! As of February, 2002, contributions are being solicited from people and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West Virginia, Wisconsin, and Wyoming. We have filed in all 50 states now, but these are the only ones that have responded. As the requirements for other states are met, additions to this list will be made and fund raising will begin in the additional states. Please feel free to ask to check the status of your state. In answer to various questions we have received on this: We are constantly working on finishing the paperwork to legally request donations in all 50 states. If your state is not listed and you would like to know if we have added it since the list you have, just ask. While we cannot solicit donations from people in states where we are not yet registered, we know of no prohibition against accepting donations from donors in these states who approach us with an offer to donate. International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made deductible, and don't have the staff to handle it even if there are ways. Donations by check or money order may be sent to: PROJECT GUTENBERG LITERARY ARCHIVE FOUNDATION 809 North 1500 West Salt Lake City, UT 84116 Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment method other than by check or money order. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN [Employee Identification Number] 64-622154. Donations are tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising requirements for other states are met, additions to this list will be made and fund-raising will begin in the additional states. We need your donations more than ever! You can get up to date donation information online at: http://www.gutenberg.net/donation.html *** If you can't reach Project Gutenberg, you can always email directly to: Michael S. Hart Prof. Hart will answer or forward your message. We would prefer to send you information by email. **The Legal Small Print** (Three Pages) ***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START*** Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers. They tell us you might sue us if there is something wrong with your copy of this eBook, even if you got it for free from someone other than us, and even if what's wrong is not our fault. So, among other things, this "Small Print!" statement disclaims most of our liability to you. It also tells you how you may distribute copies of this eBook if you want to. *BEFORE!* YOU USE OR READ THIS EBOOK By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm eBook, you indicate that you understand, agree to and accept this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive a refund of the money (if any) you paid for this eBook by sending a request within 30 days of receiving it to the person you got it from. If you received this eBook on a physical medium (such as a disk), you must return it with your request. ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS This PROJECT GUTENBERG-tm eBook, like most PROJECT GUTENBERG-tm eBooks, is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. Hart through the Project Gutenberg Association (the "Project"). Among other things, this means that no one owns a United States copyright on or for this work, so the Project (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth below, apply if you wish to copy and distribute this eBook under the "PROJECT GUTENBERG" trademark. Please do not use the "PROJECT GUTENBERG" trademark to market any commercial products without permission. To create these eBooks, the Project expends considerable efforts to identify, transcribe and proofread public domain works. Despite these efforts, the Project's eBooks and any medium they may be on may contain "Defects". Among other things, Defects may take the form of incomplete, inaccurate or corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual property infringement, a defective or damaged disk or other eBook medium, a computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by your equipment. LIMITED WARRANTY; DISCLAIMER OF DAMAGES But for the "Right of Replacement or Refund" described below, [1] Michael Hart and the Foundation (and any other party you may receive this eBook from as a PROJECT GUTENBERG-tm eBook) disclaims all liability to you for damages, costs and expenses, including legal fees, and [2] YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE OR UNDER STRICT LIABILITY, OR FOR BREACH OF WARRANTY OR CONTRACT, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR INCIDENTAL DAMAGES, EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH DAMAGES. If you discover a Defect in this eBook within 90 days of receiving it, you can receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending an explanatory note within that time to the person you received it from. If you received it on a physical medium, you must return it with your note, and such person may choose to alternatively give you a replacement copy. If you received it electronically, such person may choose to alternatively give you a second opportunity to receive it electronically. THIS EBOOK IS OTHERWISE PROVIDED TO YOU "AS-IS". NO OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, ARE MADE TO YOU AS TO THE EBOOK OR ANY MEDIUM IT MAY BE ON, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR A PARTICULAR PURPOSE. Some states do not allow disclaimers of implied warranties or the exclusion or limitation of consequential damages, so the above disclaimers and exclusions may not apply to you, and you may have other legal rights. INDEMNITY You will indemnify and hold Michael Hart, the Foundation, and its trustees and agents, and any volunteers associated with the production and distribution of Project Gutenberg-tm texts harmless, from all liability, cost and expense, including legal fees, that arise directly or indirectly from any of the following that you do or cause: [1] distribution of this eBook, [2] alteration, modification, or addition to the eBook, or [3] any Defect. DISTRIBUTION UNDER "PROJECT GUTENBERG-tm" You may distribute copies of this eBook electronically, or by disk, book or any other medium if you either delete this "Small Print!" and all other references to Project Gutenberg, or: [1] Only give exact copies of it. Among other things, this requires that you do not remove, alter or modify the eBook or this "small print!" statement. You may however, if you wish, distribute this eBook in machine readable binary, compressed, mark-up, or proprietary form, including any form resulting from conversion by word processing or hypertext software, but only so long as *EITHER*: [*] The eBook, when displayed, is clearly readable, and does *not* contain characters other than those intended by the author of the work, although tilde (~), asterisk (*) and underline (_) characters may be used to convey punctuation intended by the author, and additional characters may be used to indicate hypertext links; OR [*] The eBook may be readily converted by the reader at no expense into plain ASCII, EBCDIC or equivalent form by the program that displays the eBook (as is the case, for instance, with most word processors); OR [*] You provide, or agree to also provide on request at no additional cost, fee or expense, a copy of the eBook in its original plain ASCII form (or in EBCDIC or other equivalent proprietary form). [2] Honor the eBook refund and replacement provisions of this "Small Print!" statement. [3] Pay a trademark license fee to the Foundation of 20% of the gross profits you derive calculated using the method you already use to calculate your applicable taxes. If you don't derive profits, no royalty is due. Royalties are payable to "Project Gutenberg Literary Archive Foundation" the 60 days following each date you prepare (or were legally required to prepare) your annual (or equivalent periodic) tax return. Please contact us beforehand to let us know your plans and to work out the details. WHAT IF YOU *WANT* TO SEND MONEY EVEN IF YOU DON'T HAVE TO? Project Gutenberg is dedicated to increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form. The Project gratefully accepts contributions of money, time, public domain materials, or royalty free copyright licenses. Money should be paid to the: "Project Gutenberg Literary Archive Foundation." If you are interested in contributing scanning equipment or software or other items, please contact Michael Hart at: hart@pobox.com [Portions of this eBook's header and trailer may be reprinted only when distributed free of all fees. Copyright (C) 2001, 2002 by Michael S. Hart. Project Gutenberg is a TradeMark and may not be used in any sales of Project Gutenberg eBooks or other materials be they hardware or software or any other related product without express permission.] *END THE SMALL PRINT! FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS*Ver.02/11/02*END*